22. Juni 2010

Me, Kashmir, and the weapon store next door...


Das Taj Mahal, Denkmal der Liebe, in den ersten Morgenstrahlen


Jammu, ein Tumult von Stadt mit tausend Tempeln. Ich sitze abermals in einem Internetcafe, diesmal jedoch, um der quaelenden Sonne zu entrinnen und, einen Deckenventilator ueber mir, nicht ganz so viel zu schwitzen. Seit meiner verspaeteten Ankunft heute morgen - Der Busfahrer hat sich genug Zeit genommen hier und dort in der Nacht fuer eine Tasse Chai zu stoppen - habe ich zwar noch nicht ganz so viel erkundet wie in Delhi und Agra, doch schon ueber fuenf Waffenlaeden entdeckt, von Handschusswaffe bis Gewehr. Aber keine Sorge, auch hier braucht man einen Waffenschein!

Agra war traumhaft. Schon in meinen ersten Minuten in der Kulturstadt in Uttar Pradesh konnte ich erkennen, dass diese Stadt um einiges mehr orientalisches Flair besitzt als die suedlichen tropischen Staedte. Agra ist bis aufs Engste bebaut mit flachdaechigen weissen und hellgrauen Steinhaeusern, wie man sie sonst aus 1001 Nacht kennt. Nach einer kleinen Stadttour bin ich in einem superguenstigen, aber dafuer furchtbar gut gelegenem Hotel untergekommen, das mir abends einen direkten Blick auf das Taj Mahal im Abendrot gewaehrte.
Die Gemaecher des Shajahan im Agra Fort


Delhi ist um einiges geschaeftiger aber auch viel westlicher bebaut als Agra zwingt so manche Stadt, angesichts ihrer Masse (auf dieser Tastatur fehlt das SZ), in die Knie: Man benoetigt mehr als zwei Stunden um Delhi zu durchqueren, und der Verkehr macht es einem nicht leichter. Rickshaws gibt es ueberall und Verkehrsunfaelle sind nicht unbedingt selten. Mein Taxifahrer hat gleich in der ersten Nacht einen Schubkarrenfahrer mit der Seite erwischt und auf mein schockiertes Gesicht nur mit einem viel zu selbstbewussten, hoenischen Lachen geantwortet. Gut dass meine Fahrt kurz danach auch schon zu einem Ende kam. In Indien's Hauptstadt bin ich bei der Schwester einer Freundin aus meinem Projekt in Kerala untergekommen und konnte mir so die Kosten fuer die teuren Hotels sparen und hatte einen netten Tag mit ihr mit Brunch, Kino, Einkaufsbummel und Hard-Rock-Cafe Dinner. Auf die Besichtigung der vielen "Sehenswuerdigkeiten" habe ich diesmal verzichtet. Da ich das Fort in Agra schon gesehen hatte, konnte ich mir das teurere "Red Fort" in Delhi sparen. Diese sind sich unglaublich aehnlich.

Morgen kommt Amelia in Jammu an, sodass wir die naechste Woche zusammen herumstreunern koennen. Sie bringt auch einen Freund aus Australien mit, von dem sie mir bereits angekuendigt hat, dass ich ihn durch seinen sehr australischen Akzent wohl nur schwer verstehen werde. Kein Problem, meinte ich. Mal sehen.

Ich werde mich jetzt wieder ins Getuemmel der Stassen werfen, ein bisschen fotographieren und meine naechsten Schritte planen, bevor ich erneut Unterschlupf im Schatten suchen werde...



Auf den Strassen Jammu's

17. Juni 2010

Travel Update 1.1

Liebe Leser,
wie die meisten von Euch bereits mitbekommen haben befinde ich mich auf meinem einmonatigen Trip durch Nordindien. Heute morgen zeitig mit dem Zug losgekommen, sitze ich bereits in Ernakulam und warte auf den Flieger nach Delhi. Dort komme ich bei der Schwester eine Freundin unter, die so lieb war und mich fuer ein Wochenende ertragen moechte, bevor es dann weiter nach Jammu in die Kashmirregion geht. Nach einer Woche im kalten Gebirge werde ich weiter nach Osten Reisen in die Dschungel von Meghalaya und eine Teilnehmerin vom IISE 2009, Pynhoi, besuchen und ihr hoffentlich mit ihrem Projekt weiterhelfen.

Da ich nun schon ganz aufgeregt in einem schmutzigen Internetcafe sitze, dachte ich mir, dass ich Euch allen noch einmal eine kurze Nachricht schreiben koennte, bevor ich in den Norden fliege.

Meine Ankunft in Deutschland ist um circa eine Woche nach hinten verschoben. Das Flugzeug aus Indien, das mich nach Hause transportieren wird, landet daher erst am 25.07. um 11:30 am Hamburger Flughafen.

So, ich wuensche Euch alles Gute, und ich versuche Euch auf dem Laufenden zu halten,

Phil

29. April 2010

Mein Team und ich


Ende April, Trivandrum. Mittlerweile treffen die ersten Schauer des kommenden Monsoons ein. Sandwege schwimmen davon und der Müll auf den Straßen wird so matschig, dass man ihn abends kaum noch verbrennen kann. Dazu hat die Wärme ihren Höhepunkt erreicht.Seit gestern Abend liegt eine bestimmte Leere unseren Gemütern. Murali, Catalyst für Finance, Marketing und Problemsolving, Mentor und Mitglied des Catalyst-Volunteer-Spaßgespann, sowie Freund und Kumpane, hat sich vom Campus verabschiedet, um seinem inneren Ruf nach Weiterbildung zu folgen. Amelia, Rahel, Supriya und ich haben ihn um 2 Uhr AM zum Flughafen begleitet und ihm ein herzliches Auf Wiedersehen gewünscht. Für mich warten noch knapp 3 Monate zum Wiedersehen in Deutschland, wohin ihn sein Weg nämlich verschlagen hat. Nach einem 5 monatigen Deutsch Intensivkurs wird er in Niedersachsen sich durch den Master-Studiengang NGO-Management weiterbilden. Somit flog mein engster indischer Freund, erstaunlicherweise vor mir, zurück nach Deutschland.

Moment, wer ist eigentlich Rahel?
Seit Anfang März ist unser Volunteer Team um ein weiteres Mitglied gewachsen. Neben Amelia aus Sydney und mir gehört nun auch Rahel aus Bonn zum IISE und beschäftigt sich größtenteils mit Aktivitäten für die Teilnehmer. Zusammen mit Rufus, dem Participant Coordinator aus Tamil Nadu, begleitet sie Hustende, Schnupfende, Vor-Schmerzen-Gekrümmte, Sich-Übergebende und auch Hinkende und Humpelnde zum nächsten Doktor und ist die Koordinatorin für Ausflüge jeglicher Art.

Hier das unser bisheriges akademisches Team für 2010, über das ich ganze Bücher schreiben könnte; dennoch versuche ich mich kurz aufs wesentliche zu beschränken:

Paul und Sabriye: Die beiden Gründer und Direktoren. Sabriye arbeitet an Radio Shows und ist für das Curriculum verantwortlich. Paul kümmert sich mehr um die Organisation an sich, also Marketing und Branding, Spender, etc. Erstaunlich finde ich, dass die beiden ohne Ausbildung auf diesem Bereich und durch reine Überzeugung und Willen nun ihr mittlerweile zweites Projekt auf die Beine gestellt haben und leiten. Sabriye ist nebenbei Trägerin des Bundesverdienstkreuzes und leitet außerdem eine Blindenschule mit Vocational Training Center in Tibet, das den blinden Kindern Hoffnung auf eine Zukunft und Bildung gibt.

Supriya: Programmdirektorin und Catalyst. Sie arbeitet an Wochenplänen und hält Sessions über NGO-Management. Ursprünglich kommt sie aus dem Umwelt Bereich der NGO Welt und arbeitet dort mit mehreren Wildtier und Erhaltungsprojekten. Als gute Freunde gehen wir gerne zusammen aus und sind stets auf der Suche nach den exotischsten Restaurants in Trivandrum.

Paulmon: Catalyst. Man erkennt ihn dem Schlurfen seiner Schuhe und seiner Gangart. Mit jedem Schritt, den Paulmon tut, vergehen Jahre. Ich habe selten einen so entspannten und langsamen Menschen gesehen. Dennoch zaubert er den Teilnehmern mit jeder Englischstunde ein Lächeln ins Gesicht und unter den Catalysts ist er als Zielobjekt von morgendlichen Umarmungen bekannt, besonders von Murali.

Murali: Catalyst. Risikobereit lebt Murali am Limit. Sein Suzuki Swift ist getunt und beschleunigt schneller als die meisten Motorräder Trivandrums. Witzig genug, dass er eben dieses Auto in Asien vermarktet hat, als er noch für Suzuki gearbeitet hat. Außerdem besitzt er eine Royal Enfield bullet 350 Machismo, ein wundervolles Motorrad. Er kommt aus dem Business Sektor und arbeitete für TATA, Bosch, Suzuki und Raytheon. Gemeinsam teilen wir eine Leidenschaft für Photos, Filme und kühles Bier. Am Campus unterrichtet er Problem Solving, Finanz, Marketing, etc.

Prasanth: Catalyst und Counseller. Er sieht aus als ist er einem südindischen Filmklassiker entsprungen. Neben Paulmon nimmt auch er die meisten Dinge ziemlich gelassen. Er hat vorher in Nordkerala mit NGOs für Stammeserhaltung von Einheimischen im Dschungel gearbeitet und ist Berater, größtenteils für AIDS.

Amelia: Catalyst/Volunteer. Amy aus Sydney spricht mit starkem Akzent und legt besondere Betonung auf Worte wie „ever“, „bye“ und „sweet“. Sie ist 24 und studiert derzeit International Development (ein Masterstudiengang) über Korrespondenz. Nebenbei bringt sie Englisch bei und spielt mit mir zusammen eine wesentliche Rolle im zweiten Akt.

Und zu guter Letzt Phil: Catalyst/Volunteer. Unterrichtet Mathe und Schwimmen, sowie Tanzen an Freitagen und hilft in allen möglichen Sessions. Außerdem kümmert er sich nicht genügend um seinen Blog.
Falls ihr mehr über das akademische Programm erfahren wollt, habe ich weiter unten ein paar Zeilen extra verfasst.



Von links nach rechts: Sabriye, Amelia, Paulmon, Sankar (Project Navigator), ich, Supriya und Prasanth



Jury Day
Der letzte Freitag war für die Teilnehmer ein besonderer Tag, der zum einen den Abschluss des ersten Aktes bedeutete, zum anderen aber auch viele regelrecht unter Druck setzte. Die Projekte der Teilnehmer, die sich mit verschiedenen Problemen Malaikas auseinander gesetzt hatten, wurden von einer Jury bewertet und das beste Projekt mit einem Preis gekürt. Alle Teams lieferten am Vormittag wunderbare Präsentationen und durften anschließend der Jury Rede und Antwort auf spezifische Fragen zum Projekt stehen. Das Projekt wurde dabei vorwiegend auf Originalität und Auswirkung geprüft. Umsetzbarkeit war Voraussetzung. Anschließend servierte uns das Küchenteam ein besonderes Mittagessen, wie es der Campus bislang nur selten zu sehen bekommen hat. Mein persönlicher Höhepunkt des Tages war der frittierte Fisch.

Anschließend gelang es dem Team Mandale mit einem Projekt zur Integration von an Usher-Syndrom leidenden Kindern den ersten Preis zu gewinnen: Einen Tag im Thapovan, einem Wellness Center in der Nähe von Kovalam. Mit ein paar musikalischen Beiträgen und inspirierenden Reden schlossen wir den ersten Akt daraufhin erfolgreich ab.

Die Geschichte nimmt ihren Lauf im zweiten Akt
Der zweite Akt ist angebrochen, die Teilnehmer wurden in neue Gruppen eingeteilt und die Motivation ist seit dem letzten großen Event ein wenig gestiegen. Im diesem Teil des Jahres geht es vor allem um Social Marketing, also um Einfluss durch Projekte auf soziale und kulturelle Gesichtspunkte. Idealerweise bewirken Projekte einen positiven Wandel. Die Teilnehmer haben sich beispielsweise folgende Projekte ausgedacht: Aberglaube bezogen auf Behinderungen, FGM, Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann im Beruf, Religionskonflikte und viele weitere. Jeder Catalyst übernimmt dabei eine Gruppe, leitet diese und organisiert und begleitet sie auf einen Recherche Exkurs. Sogar Amelia und ich haben eine Gruppe zugeteilt bekommen, sodass wir nun auch eine Hauptrolle spielen dürfen. Meine Gruppe beschäftigt sich mit Aberglaube. In vielen asiatischen Kulturen, und vor allem im Buddhismus, werden Behinderungen als Konsequenz für Sünden im vorherigen Leben, oder schlechte Taten innerhalb der Familie angesehen. Unser Projekt lautet Superstition Free Society (SFS). Nachdem sich die einzelnen Gruppen mit Vision und Mission auseinandergesetzt haben, bin ich fleißig am Logo-Entwerfen, da sich der ganze Akt schließlich auch um Marketing dreht.




Straßen Keralas



Außerhalb des Campus
Während meine Finger unermüdlich auf die Tasten hämmern, um diesen Bericht zu schreiben, fällt mir auf, dass sich selbst meine Freizeit größtenteils auf dem Campus abspielt. Durch meine Aufgaben bin ich den Tag über eingebunden und komme immer seltener zum Lesen, Hindi lernen und Bollywood Filme ansehen. Vor allem die letzten Tage sind schnell verstrichen. Ich hoffe, dass Euch dieser Bericht nicht zu sehr langweilt, auch wenn er größtenteils vom Curriculum handelt, aber ich denke, dass auch gerade der Teil bislang zu kurz geraten ist.

Dennoch habe ich noch eine Kleinigkeit, abseits von allen Entrepreneurs und NGOs, die ich mit Euch teilen möchte:

Bambadi Rajan!
Trommelschläge preschen durch die Luft. Die Menge blickt erwartungsvoll gen Westen und wird von der untergehenden Sonne geblendet. Tänzer mit Tigermasken und bunten Oberkörpern tanzen, fliegen durch die Menge. Ein Feld voller Menschen, eine jubelnde Menge, kündigt das Spektakel an. Elefanten!



Bambadi Rajan mit Mahout

Vor ein paar Wochen war ich zusammen mit Abin, einem Koch im IISE, in seiner Heimatstadt, Kottayam, um ein Tempelfest zu sehen.

Vor Kottayams größtem Tempel befindet sich ein großer Platz, auf dem sich jährlich die Menschen treffen, um Zeuge der Elefantenprozession als Teil des Tempelfestes zu werden. Die Elefanten werden von den Trommlern einzeln angekündet. Jeder Elefant hat einen Namen, eine Geschichte und einen Charakter. Manche Elefanten „arbeiten“ in der Filmbranche, manche helfen in Sägewerken zum Tragen der riesigen Stämme, andere sind schlicht Tempelelefanten und haben das wahnsinnige Glück den ganzen Tag faul im Schatten zu liegen, Stroh zu futtern und sich gegenseitig zu duschen.

Ich befinde mich mit meiner Kamera und meinem neuen 50mm Objektiv in der Menge und versuche brauchbare Photos zu schießen. Von links drückt mir ein älterer Herr mit Turban und Dothi seinen schweißigen Arm auf die Brust, in der Hoffnung meinen großen Körper aus der Sichtlinie seines besten Freundes zu schieben, von rechts kichern zwei jugendliche Inder meiner Größe, die regelrecht Spaß daran gefunden haben andere Menschen in meine Seite zu schieben. Dazu übertönt ein lautes rhythmisches Getöse von rechts meinen Freund Abin, der mir Händen und Füßen erklären möchte, dass wir uns weiter nach vorne quetschen könnten, da vor ihm gerade 20 cm frei geworden sind. Das Der Ursprung des Getöses ist der Bambadi Rajan Fanclub, der sich mit weißen T-Shirts mit der Aufschrift „Bambadi Rajan“ bestückt hatte.

20 Minuten und 4 Elefanten später betritt Bambadi Rajan das Feld. Schon als er die mamornen Stufen des Tempels hinabgleitet kann ich ihn von allen anderen Elefanten unterscheiden. Rajans Rüssel reicht bis zum Boden hinab. Er ist mit Abstand der größte unter seinen Artgenossen und allein beim Anblick seiner eindrucksvollen Gestalt fährt mir ein Schauer über den Rücken. Die Menge schreit und die Trommeln dröhnen schneller.

Die Mahouts (Reiter) tragen freie Oberkörper und einen Dhoti. Im Laufe der folgenden Prozession werden die Elefanten geschmückt mit Kopfschmuck, Ketten und zwei weitere Mahouts gesellen sich auf die Rücken der Tiere, um große Wattbälle und überdimensionale Polizeikellen zur Musik zu schwingen.

Gegen Ende stehen sich zwei Reihen von Elefanten gegenüber, zwischen denen sich die Menge befindet.



Die Elephanten in Reih' und Glied

Kerala ist heiß, aber noch nie konnte ich mein T-Shirt mehrmals innerhalb von einer halben Stunde auswringen. Das Fest dauert 2 Stunden. Das Entrinnen der Menge ist eine Befreiung. Während des Festes wünschte man sich alle 5 Sekunden die kleinste Luftbewegung herbei, die einen abkühlen würde. Durchnässt hoffe ich nun, dass der Wind eine Pause einlegt, denn die Sonne ist bereits untergegangen und es beginnt kalt zu werden.


Die Menge tobt, als Keralas "längster Rüssel" die Tempelstufen hinabsteigt

Die Nacht verbringe ich mit Abin und seiner Familie, die mich mit traditionellen Gerichten bekocht und mich der neugierigen Nachbarschaft vorstellt. Abins Familie verdient einen Großteil durch die Ernte der anliegenden Gummibäume, die angeschnitten werden sodass der „Saft“ in kleine Kokosnussschalen am Fuße des Baumes fließen kann. Nach einem Tag trocknet die Masse zu Gummi und kann weiterverarbeitet werden. Am Tag macht Abins Familie damit um die 400 Rupien, wenn es gut läuft auch mal 500…


Vada - mein Lieblingsfrühstück!



Das Programm des IISE
Obwohl ich mich schon so lange in diesem Institut am wunderschönen Vellayani See befinde, habe ich bisher selten von dem eigentlichen Programm berichtet und was hier eigentlich passiert. Wahrscheinlich konnte ich mich bislang darüber auch noch gar nicht richtig unterhalten, da ich im letzten Jahr eher Teil des administrativen Bereichs gewesen bin und einen anderen Aufgabenbereich gehabt habe. Seitdem ich nun auch eine Rolle als Catalyst spiele, bekomme ich viel mehr von den akademischen Geschehnissen mit.

Das Jahr teilt sich für den Campus in 5 Akte. Auf dieser „Reise“ durchlaufen die Teilnehmer einzelne Themen und erlernen Fähigkeiten die wichtig für die Verwirklichung ihrer eigenen Visionen und Traumprojekte sind. Was den Campus im Wesentlichen von einem normalen Studiengang unterscheidet, ist die Nähe zur Praxis. In jedem Akt müssen die Teilnehmer die gelernte Theorie in ein kleines Projekt umwandeln, das am Ende des Aktes nach verschiedenen Kriterien von einer qualifizierten externen Jury bewertet wird. In der Jury sitzen meist CEOs und Manager aus der Corporate World, sowie Gründer und Entrepreneurs aus dem NGO-Feld.

Akt 1 – Malaika:
Die Teilnehmer werden mit einer imaginären Welt konfrontiert, die eine reale Umgebung mit wirtschaftlichem, sozialem und ökologischem Umfeld befindet. Die Teilnehmer beschäftigen sich als Gruppe mit einzelnen Problemzonen und bereiten ein Projekt bestehend aus Project Proposal, Concept Note, Action Plan (5 Jahre), Budget (ebenfalls 5 Jahre), Spendennachweise und Marketingbestandteilen (Name, Logo, Slogan). In diesem Jahr hat sich unser Catalyst Team Malaika Islands ausgedacht, ein Archipel, wirtschaftlich und ökologisch ähnlich Kerala. Das soziale Umfeld wurde auf die Problembereiche angepasst. Große Teile der Bevölkerung leiden daher beispielsweise unter Usher-Syndrom, Armut und Tsunami-Folgeschäden. Wöchentlich entwickelt sich Malaika, was die Situation für die Projekte entweder erschwert oder erleichtert.

Akt 2 – Social Marketing:
Auch im zweiten Akt nehmen sich Teilnehmer in Gruppen Projekte vor. Diese sollen jedoch auf unsere reale Welt angepasst werden. Wichtig hierbei ist allerdings, dass die Projekte Einfluss auf die Gesellschaft ausüben können, um Missstände auszugleichen. Wichtig ist hierbei eine detaillierte Concept Note und ein strukturierter Action Plan.

Akt 3 – Konzeptideen:
Im dritten Akt entwerfen die Teilnehmer in größeren Teams Konzepte für Projekte. Diese Projekte werden eher nicht umgesetzt und werden daher fast ausschließlich nach ihrer Originalität und Idee bewertet. Gute Projekte können werden eventuell später vom IISE mit Hilfe von zukünftigen Generationen von Teilnehmern umgesetzt.

Akt 4 – Praktika:
Die Teilnehmer suchen sich bereits in Akt 2 und 3 Projekte in Indien und Nepal und bewerben sich für zweimonatige Praktika. Das Praktikum dient nicht dem Zweck den Teilnehmern einen Einblick zu gewähren sondern vielmehr ihnen die Möglichkeit zu geben, gelerntes Wissen bereits real anzuwenden. Daher leiten die Teilnehmer meist kleinere (oder auch größere) Projekte oder führen neue Studien innerhalb des Praktikums.

Akt 5 – Projektverwirklichung:
Im letzten Akt fügen die Teilnehmer alles Gelernte zusammen und fertigen ihr Projekt an. Bereits in den anderen Akten sollen Teilnehmer an Teilen ihrer Vision gearbeitet haben und ihr nun den letzten Schliff geben. Am Ende dieses Aktes wird ihr eigenes individuelles Projekt von einer externen Jury bewertet und die besten Projekte erhalten Geldpreise als Startspende für ihr Projekt.

Zusätzlich zu dem Akt lernen die Teilnehmer sogenannte Kern-Fähigkeiten, die essentiell zu dem Erfolg ihrer Projekte beitragen. Darunter fallen Finanz, Mathematik, Englisch und Media (entweder Radio, Internet oder Magazin).


24. Februar 2010

Neues Kapitel

Die Teilnehmer sind wieder in ihren Ländern angekommen, der Campus ist gefüllt mit der nächsten Generation von Teilnehmern, Weihnachten und Silvester sind schneelos an mir vorbeigerauscht und das neue Jahr ist mittlerweile auch überhaupt nicht mehr so neu. Dennoch hoffe ich, dass ihr alle wohlbehalten im 21. Jahrhundert - Kapitel 10 angekommen seid.

Die Abschlussfeier


Der offiziell letzte Tag der "Reise in fünf Akten", wie das akademische Jahr hier auf dem Campus bezeichnet wird, brach ziemlich schnell herein und war im Nachhinein auch ziemlich schnell vorüber. Zwei Wochen Vorbereitung machten das Fest zu einem vollen Erfolg und Spaß für alle Beteiligten. Gegen zwei Uhr durften wir die geladenen Gäste am Sonntag den 13.12.2009 begrüßen. Es bildeten sich kleine Gesprächsgruppen, die sich heftig über die letzten Ereignisse austauschten, sowohl auf Englisch als auch auf Malayalam, bis sie letztendlich ins Amphitheater zum Beginn der Zeremonie gerufen wurden. Robert und ich hatten uns für den Anlass auffällig in Schale geworfen. Unsere traditionell indischen Gewänder aus Rohseide und Glitzersteinchen kamen überall gut an.


Neben der Zeremonie gab es im ehemaligen "Café in the Dark", das nun zum "Movie Theatre" umgestaltet worden war, den Film "20 Journeys, 10 Destinations" zu sehen, den Robert und ich geschnitten hatten.


Nachdem etliche Preise, Auszeichnungen und Abschlusszeugnisse vergeben wurden, der Bildungsminister von Indien und der Maharaja von Travancore Reden gehalten hatten; nachdem Paul und Sabriye sich für die tolle Teamarbeit bedankt hatten und die Presse ihre Photos für die "Hindu" und die Kerala eigene Zeitung geschossen hatten und der Abend an uns vorbei rauschte, war es Zeit für das großangelegte Buffet. Von Schwein zu Rind gab es so viele Leckereien, dass wir nach dem Schmaus erst einmal eine Stunde verdauen mussten, bevor wir uns, frohen Mutes auf die Tanzfläche mit Liveband schwingen konnten. Ein schöner und gelungener Abschluss, der sämtliche seiner Mühen wert war.

Der nächste Tag war dafür umso trauriger, da die Zeit gekommen war sich zu verabschieden. Eine Woche voller Tränen, Umarmungen und Sachenpacken. Die meisten der Teilnehmer konnten natürlich NICHT mit ihren eingepackten 45 Kilo schweren Koffern ausreisen und mussten daher noch am Flughafen die Sachen nach Prioritäten ordnen und sich von großen Teilen der Ladung verabschieden. So ging auch die letzte Woche vor Weihnachten vorüber.


Meine Reise ins Land des Lächelns - Thailand

Wie Ihr wahrscheinlich alle mitbekommen habt, hatte ich vor Weihnachten - mehr oder weniger spontan - beschlossen 13 Tage in Thailand zu verbringen. Für einen der 60 € - Flüge war es leider schon zu spät, weshalb ich ein wenig mehr ausgeben musste.

Los ging es am 25. Dezember. Heilig Abend hatte ich mit Sabriye, Paul, Pynhoi und Khom (die beiden letzten Teilnehmer, die noch bis zum 31. Dezember geblieben sind) und Amelia in Kovalam bei einem schönen Abendessen zelebriert. Allerdings hatte ich schon ein komisches Gefühl das Fest der Liebe nicht bei meinen Liebsten zu verbringen.

Mein erster Aufenthalt, Colombo, erwies sich zwar von der Unterkunft her als außerordentlich komfortabel, doch von der Stadt an sich konnte ich außer einer 30 minütigen Autofahrt nicht wirklich viel genießen. Der Abend mit extravagantem Dinner im Hotelrestaurant - für mich als Gast von Srilankan Airlines alles komplett kostenfrei - ging schnell vorüber, sodass ich am nächsten Morgen früh weiterreisen konnte.

Bangkoks Dächer aus meinem Guest House


Angekommen in Bangkok, Guest House gefunden, Nachtmärkte erkundet. Bevor es für mich weiter in Richtung Süden gehen konnte, musste ich einen Tag auf die übrigen Freiwilligen warten, mit denen ich mich zusammentun wollte. Daher hatte ich genug Zeit mir Bangkok ein wenig anzusehen, das Palastgelände zu genießen, die Khao San Road, die als Touristenviertel von aller Welt besucht wird, abzuklappern und Thaigerichte zu verschlingen.

Longtail Fischerboot auf Kho Tao


Obwohl ich mir eigentlich fest vorgenommen hatte, nicht unbedingt in die Touristengebiete zu fahren, sondern lieber die Landschaft zu erkunden, war meine Thailandreise mehr ein "Inselhopping". Bis Silvester verbrachte ich meine Tage am Strand von Kho Tao, habe einen Scuba-Dive Kurs gemacht, und mich zusammen mit meiner "Freiwilligen-Crew" in Bars amüsiert. Am 31. Dezember ist unser Team dann, kurzfristig und nicht wirklich vorbereitet, nach Kho Phangan aufgebrochen. Phangan, die Nachbarinsel Kho Taos, ist vor allem für ihre Vollmondparties bekannt. Der Grund dafür, dass wir das neue Jahr dort feiern wollten, war derselbe, der etliche weiter Touristen aus aller Welt zur gleichen Zeit auf das kleine Eiland trieb: Dieses, beziehungsweise letztes, Jahr war die Silvesternacht eine Vollmondnacht. Somit fiel die allseits berüchtigte Vollmondparty auf die Silvesterparty. Mit 50.000 Menschen haben wir am Strand gefeiert. Die Menge war so groß, dass wir uns in der Nacht alle verloren haben, und morgens, mehr oder weniger unpünklich, seperat an unserem Treffpunkt ankamen.


Die folgenden und für mich letzten 6 Tage verbrachten wir getrennt. Jeder ging seine Wege. Mich verschlug es über Kho Samui, nach Krabi und von dort nach Kho Phi Phi, wo der anscheinend ziemlich berühmte Film (dem Lonely Planet zufolge) "The Beach" gedreht wurde. Diese supertouristische Insel hat, außer wahnsinnig hohen Preisen, nicht viel zu bieten. Nicht einmal die Strände waren ihr Geld wert. Für die Thailand-Insel-Begeisterten kann ich eigentlich nur das vergleichsweise günstige Kho Tao empfehlen.

Sonnenuntergang auf Kho Tao


Meine letzte Nacht habe ich wieder in Bangkok verbracht, sodass ich am späten Abend des 6. wieder Richtung Sri Lanka fliegen konnte.


Wenn mich im Nachhinein jemand fragen würde, was mich an Thailand am meisten beeindruckt hat, würde mein erste Gedanke nicht den prunkvollen goldenen Palästen, dem azurblauen klaren Wasser oder den Stränden aus dem Bilderbuch gelten, sondern eher der Unzahl an Menschen, die mir Gastfreundschaft schenkten, die mit mir um Sachen verhandelt haben, einzig um der Verhandlung willen, und die mir aus Lebenslust zulächeln konnten.

Der Nordstrand von Phangan


Zweitausendzehn


Im neuen Jahr habe ich bereits einen Haufen erlebt. Seit dieser Generation von Teilnehmern, bin ich quasi befördert worden. Vom Freiwilligen zum Catalyst. Für die Teilnehmer bin ich daher nun Mathe Lehrer. Mein Schwerpunkt liegt vor allem auf Prozentrechnung, also Zins, Zinseszins und Zinseszinseszins, aber auch auf Brüchen und Algebra. In den Mathestunden muss ich vor allem an die Mathestunden denken, in denen ich auf dem Stuhl saß und Frau Siebeneck erklären lassen durfte, wofür man eigentlich Matrizen und Gauß‘sche Verfahren braucht und wie Herr Pythagoras uns das Leben vereinfacht hat. Aber erst jetzt weiß ich die Arbeit eines (Mathematik-) Lehrers wirklich zu schätzen. Man muss nicht nur Stunden vorbereiten, sondern sie auch auswerten, sich kreative Unterrichtsverfahren einfallen lassen, damit der Kurs nicht einschläft, und nebenbei möglichst kontinuierlich gut gelaunt und motiviert sein. Wer hört schon Menschen zu, die selbst gelangweilt sind, von dem, was sie erzählen?! Allerdings sind die Teilnehmer überaus wissbegierig und haben Spaß an dem, was wir zusammen erarbeiten. Ein wenig trickreich wird es, wenn ich versuche zu erklären, warum man Brüche übereinander schreibt, wie man kürzt und erweitert und so weiter, da den meisten der visuelle Sinn fehlt.

Kaprie, Lijodi, Michael und Simon mit der Nationalflagge Zimbabwes


Es ist ein schöner Sonntag und Kerala wird es von Tag zu Tag heißer. Von Februar bis Mai herrscht hier die "heiße Saison", in denen man diesen Teil der Welt möglichst nicht betreten sollte. Die Temperaturen steigen tagsüber bis zu 35 Grad an (im April wird es wohl noch wärmer). Durch die hohe Luftfeuchtigkeit ist das Klima manchmal wirklich unerträglich. Die meisten von Euch sitzen jetzt wahrscheinlich, eingepackt in zwei Pullover, im Kalten und fragen sich, wie man sich über Hitze beschweren kann.


Heute Morgen bin ich früh aufgebrochen. Um 5 Uhr habe ich mich mit zwei Freunden, Amelia aus Australien und Murali aus Kerala, die mit mir zusammen im IISE arbeiten, getroffen, um spazieren zu gehen. Klingt wahrscheinlich ein wenig komisch, doch für die Inder ist das eine tägliche Gewohnheit. Die Hindu-Familien stehen gegen halb 5 auf, um die Häuser zu putzen. Es gilt als hinduistischer Brauch, dass das Haus vor Sonnenaufgang geputzt und sauber ist. Während sich also die Hausfrauen an die Arbeit machen, gehen die Männer aus dem Haus, um sich im Morgengrauen die Füße zu vertreten. Die meisten treffen sich dann in den Chai-Shops, bei einem Glas Tee, um die Tagesthemen aus der Zeitung zu besprechen. Egal wie früh man aufsteht, es sind immer schon andere Menschen wach, die bereits fegen, Straßenhunde mit Steinen jagen, Chai bestellen, oder einfach nur spazieren gehen.


Einfach zu Spazieren war uns allerdings ein wenig zu simpel, daher haben wir beschlossen die Eisenbahnschienen entlang zu laufen und herauszufinden wie weit wir kommen. Gegen halb 10 hat uns dann die Sonne in die Knie gezwungen. Den ganzen Morgen sind wir gegangen, vier Stunden, konnten allerdings nur 15 Kilometer zurücklegen. Wir haben Tunnel passiert, haben Flüsse auf den Bahnbrücken überquert. Das Schwierigste war jedoch das Gehen an sich: Entweder man balancierte auf den Schienen, oder lief von einem Schienenträger zum nächsten. Links und rechts der Strecke gab es überwiegend nur Büsche. Die Strecke war wenig befahren. Da die meisten Züge aus dem Norden nur bis Trivandrum fahren, sind wir nur auf 4 Züge gestoßen. Dennoch waren wir nicht die einzigen, die ihre Knöchel im Morgengrauen quälten. Auf den Schienen waren Menschen unterwegs, die jeden Morgen auf diesem Weg zur Arbeit laufen. Viele hatten kleine Körbe oder Krüge auf den Köpfen, gefüllt mit Tapioka, Chili, Bananen, Kokosnussöl und anderen Gewürzen.


Murali und ich haben beschlossen von nun an öfter auf den Schienen zu laufen.


Sana und Babar aus Pakistan geschmückt mit Hawaii'schen Halsketten


Samrawit aus Ethiopien


Waseem aus Bangalore (India)


7. Dezember 2009

Nachträglich einen frohen Nikolaus!

nichtsahnend lese ich gerade die Nachrichten im Internet, um erstaunt festzustellen, dass die Zeit mit großen Schritten voraneilt, sodass ich Schwierigkeiten habe hinterherzukommen: Es war Nikolaus. Und ich hab's verschlafen! Mein Sonntag sah ungefähr so aus:

4:00 PM: Ich rege mich in meinem Bett. Es ist Sonntag und daher ein freier Tag, um meine Träume mal zu Ende zu träumen. Da ich in der Nacht auf Sonntag erst gegen 5:00 AM zuhause war, um ein Jury-Mitglied für die Abschlussfeier der Teilnehmer am Sonntag abzuholen.

5:00 PM: Letztendlich konnte ich mich dazu zwingen unter die eiskalte Dusche zu springen.

6:00 PM: Die Nudeln, die Robert und ich uns im Haus gekocht hatten - ja, wir haben uns Küchenutensilien gekauft, um unabhängig vom Küchenpersonal des Campus zu überleben - waren köstlich. Die Tomatensoße schmeckte ganz wie bei Mutti.

7:00 PM: Die Sonne ist schon untergegangen, bevor ich überhaupt realisieren konnte, dass sie bereits am Himmel gestanden hatte. Ich entscheide mich dazu, diesen sinnvollen Tag mit einem Film zu beenden. Obwohl ich gerade erst aufgestanden bin, fühle ich schon wieder die Müdigkeit. Wahrscheinlich hervorgerufen, durch die Nacht, die schon hereingebrochen ist. Unglaublich, wie schnell die Tage vergehen.

Soviel zu meinem Nikolaus. Ich hoffe, dass ihr alle einen aufregenderen, effizienteren sechsten Dezember verbracht habt!

Nächsten Sonntag steht, wie schon gesagt, die Abschlussfeier und die Graduation an. Zu diesem Anlass finden sich derzeit viele internationale Gäste auf dem Campus ein. Spender und Freunde des Projektes kommen, um in dieser Woche als Jury für die Reden der Teilnehmer zu fungieren. Diese finden von Montag bis Freitag, von 3:00 PM bis 6:00 PM statt und sind, zusammen mit den Proposals der Projekte, die letzten auszuwertenden Arbeiten der zukünftigen Projektdirektoren.

Letzten Sonntag - es ist schon wieder ein wenig her - stand wieder ein Ausflug mit dem Campus Team, das bedeutet den Teilnehmern und den Catalysts, an. Wir sind nach Ponmudi gefahren, um ein Picknick bei den Wasserfällen zu genießen und anschließend die Berge der Western Ghats zu bezwingen.

Um zu den Wasserfällen zu gelangen, mussten wir jedoch zuerst durch den Urwald. Mit Rucksack auf dem Rücken, und Kamera bewaffnet ging es dann für mich über Stock und Stein, Über Hügel und durch Täler, bis hin zu einem reißenden Fluss von mindestens 20 Meter breite, der überquert werden musste. Zum Glück hatten wir einen Führer und eine Halteseil, dank dessen wir die Wasser gefahrenlos überqueren konnten.

Spätestens seit diesem Tag glaube bin ich davon überzeut, dass Blindheit zwar eine Einschränkung, jedoch keine Behinderung ist. Ein paar Teilnehmer hatten Schwierigkeiten beim Abstieg, doch allgemein war unsere Hilfe fast überflüssig.

Die Aussicht der Western Ghats war traumhaft! 1000 Meter, nicht gerade hoch für ein Gebirge, doch ausreichend hoch, um ein angenehmeres gemäßigtes Klima genießen zu können. Gemeinsam durften wir alle den Sonnenuntergang in den Bergen bei leichtem Wind erleben.
Auf dem Rückweg haben wir uns mit einem Chai (Tee) an einem kleinen Straßenstand gestärkt und waren am Ende des Tages wieder heil und erschöpft in unseren Betten.

Die letzte Woche war sehr stressig. Da das Jahr nun auf das Ende zuläuft, müssen allerlei organisatorische Dinge erledigt werden, und der Campus ist in Hektik. Ich bin gespannt auf die Reden, auf die Gäste, jedoch jetzt schon traurig, wenn ich daran denke, dass die Teilnehmer, die für mich schon zum alltäglichen Leben gehören, und manche wirklich Freunde geworden sind, bald zurück in ihre Heimat fahren. Doch bis dahin ist es zum Glück noch ein kleiner Schritt, und ein wenig Arbeit...





Gruppenfoto in den Western Ghats - Phil an der Kamera



Mo und ich



Die Liberia-Gang Victor und Johnson untersuchen das Wasser



Gompo, Khom und Kyila


Mo in der Abendsonne


Die Aussicht nach Osten

6. November 2009

Die Teilnehmer

Es ist jetzt über einen Monat her, seitdem ich zum letzten Mal ein paar Worte in diese virtuelle Zeitschrift getippt habe, und es ist eine Menge passiert, von dem ich in dem heutigen Eintrag berichten möchte. Zu Beginn sei allerdings gesagt, dass es mir Leid tut, dass ich euch so lange hab warten lassen.

Nachdem die Phase des Wartens, die sich die ersten zwei Monate meines Aufenthalts breit machen durfte, mit Ankunft der Teilnehmer um den sechsundzwanzigsten September ihren Abschluss gefunden hatte, fand sich wieder Leben, aber auch eine Menge Arbeit auf dem Campus ein.
Komischerweise war die Ankunft der Teilnehmer eher ein fließender Übergang von "leerer Campus" zu "voller Campus" und anstatt einer großen Wiedersehensfeier, wie ich es, um ehrlich zu sein, mir vorgestellt hatte, gab es nur kleine sich aufregend unterhaltende Gruppen.

Der erste Montag brachte auch die erste GA (General Assembly), also eine Vollversammlung, die um 7 Uhr morgens - viel zu früh für meine Gewohnheiten - stattfindet, mit sich. Robert und ich wurden auf die Bühne gerufen und durften uns vorstellen. Die Tatsache, dass ich noch nie wirklich in Berührung mit der Blindheit stand, erstaunte die meisten. Eigentlich war ich selbst darüber erstaunt; ich hatte bislang nicht die leiseste Ahnung, wie das Leben für blinde Menschen "aussieht".

Schnell habe ich mich in das Campusleben mit den Teilnehmern einfügen und mittlerweile habe ich hier schon Freundschaften schließen können. Die Teilnehmer kommen von überall von der Welt; aus Liberia, Sierra Leone, Ghana, Kenya, Saudi Arabien, Nepal, Tibet, Indien, Norwegen und Deutschland. Jeder hat seine individuelle Geschichte zu erzählen. Der Campus war komplett.

Blood Donation Day

Vor ungefähr 5 Wochen, am ersten Oktober, fand der internationale Blutspendetag statt, den der Campus gebührend feierte. Karin aus Norwegen hatte ihr Praktikum bei Terumo Penpol gemacht, einem Unternehmen, das medizinische Ausstattung herstellt; darunter fallen auch diese kleinen Plastikbeutel, in denen das Spenderblut aufbewahrt wird. Zusammen mit dieser Firma hat Karin ein großes Fest organisiert, um den Tag zu celebrieren und zur Blutspende in Indien aufzurufen. Der Tag war ein großer Erfolg für Karin, für uns Spender und für die gute Intention, die hinter dem ganzen stand.

Das Fest war für den kompletten Tag geplant. Wie sich für mich herausstellte ist Sabriye eine begnadete Rednerin, die sowohl mit Witz, als auch mit viel Gefühl das Publikum in ihren Bann zog. Weitere Reden folgten von wichtigen Ministern bis hin zu Asif Ali, einem berühmten Malayalam-Moviestar.

Am Ende des Tages haben Robert und ich sogar zwei Luftballons von drei kleinen Mädchen bekommen, die uns schon den ganzen Tag beobachtet haben. Die Aufschrift: "Don't forget us". Ein rührendes Erlebnis.

Ein paar Tage später stieß übrigens ein neuer Freiwilliger zu unserem IISE-Team. Sein Name ist Talal, er ist 17, und eigentlich weiß er selbst nicht einmal genau, wo er herkommt. Er ist in Frankreich geboren, spricht mit seiner Familie daher französisch, lebte dort 6 Jahre, bevor er weitere 6 Jahre in Indonesien gelebt hat. Mit 12 ist er nach Californien gezogen, und hat dort bis vor kurzem ein Internat besucht. Sein Vater ist der President von McKinsey - einige von euch kennen diese riesige Consultingfirma wahrscheinlich - im Mittleren Osten. Seine Eltern leben daher in Dubai.
Eigentlich ist er ein echt super Kerl, aber im Moment verdächtige ich ihn meine Schokolade aus unserem Gemeinschaftskühlschrank stiebitzt zu haben. Er leugnet es zwar, aber die Spuren führen zu ihm...

Veli

Die Wochenenden stehen allen Beiteiligten frei. Solche Gelegenheiten nutzen wir gern, um gemeinsame Ausflüge zu machen, sofern das Budget des Social Clubs es zulässt. Da die meisten Teilnehmer aus Entwicklungsländern und eher armen Familien stammen, haben sie nicht genügend Geld, um jede Woche Ausflüge zu unternehmen. Der Social Club ist eine Sparkasse, die wöchentlich aufgefüllt wird, wenn die Teilnehmer ihren sozialen Verpflichtungen, wie Essensausgabe, Abwasch, Waschzeiten einhalten, etc. gewissenhaft nachkommen. Für eine erfolgreiche Woche gibt es maximal 500 Rupien in den Social Club; das entspricht etwa 8 Euro.

Vor drei Wochen war es dann so weit das Sparschwein für einen gemeinsamen Strandausflug nach Veli zu köpfen. Veli ist ein wunderschöner Strand etwa eine dreiviertel Stunde von Vellayani, das Dorf in dem ich lebe, entfernt. Der Bus war ein recht ordentliches, sauberes Gefährt, ganz im Gegensatz zu den öffentlichen Verkehrsmitteln, das uns sicher an unser Ziel brachte.

Bevor man in Veli den Strand erreicht führt der Weg durch Grünanlagen, die für Touristen erbaut sind, und an großen Skulpturen vorbei. Trotz der indischen Mentalität und Kultur waren ein paar der überlebensgroßen Büsten und Körper doch wirklich nackt. Die Blinden hatten natürlich allerlei Spaß an den Steinfiguren herumzutasten und zu klettern. Dies ging allerdings nur solange gut, bis uns ein unfreundlicher Sicherheitsmann von den Steinwerken pfeifen musste. Beleidigt schlugen wir unser Picknicklager also neben den Figuren auf. Spaß hatten wir dennoch weiterhin!


Nach der Stärkung, von der ich heute noch schwärme, da sie aus italienischen Leckereien wie Salami, Käse und Brot bestand, die Isa von ihrem Urlaub mitgebracht hatte, machten wir uns weiter auf den Weg in Richtung Strand. Dass wir unsere reguläre Straßenkleidung anhatten, fiel uns allen auch erst auf, nachdem wir schon durch und durch nass im seichten Wasser standen. Ein paar von uns hatten mitgedacht und wenigstens Handtücher dabei gehabt. Einige andere mussten jedoch herumfragen, ob zufällig jemand, in weiser Voraussicht, zwei Handtücher eingepackt hatte, oder wenigstens ein Stück seines Handtuches entbehren könne.
Talal, Robert, Martin, Mohammed und ich haben mit einer Sandale, die wir gefunden hatten, noch ein wenig Beach-Rugby gespielt. Solange, bis mir die Rippen und Talal der Fuß weh taten.

Die Sonne war schon langsam am Untergehen, als ein paar Reiter am Strand ihren Pferden die Sporen gaben. Zum Glück hatte ich meine Kamera zur Hand und konnte ein paar schön Photos schießen.

Backwaters in Kollam

In Kerala gibt es viele Seen und mitunter auch eine riesige Ansammlung von Wasser im Landesinnern, das nicht direkt mit dem Meer an der Westküste Indiens in Berührung kommt. Diese Flüsse, Seen und Teiche, die miteinander verbunden ein schönes Touristenziel abgeben, nennt man hier die Backwaters. Ungefähr eine Woche nach unserem Veli-Trip haben wir von Tiffany's Vaters eine Bootstour in Kollam spendiert bekommen. Der ganze Campus, war natürlich überglücklich; und so machten wir uns, frohen Mutes, am Morgen des 17.10. mit einem Bus, der von innen eher die Ausstattung eines Flugzeuges bot, auf nach Kollam.

Zweieinhalb Stunden und ein paar lustige internationale Lieder später kamen wir dann an unserem Ziel an: Das Regent Palace Hotel, von dem wir mit einem Zubringer weiter fahren sollten, lag vor uns. Die Einrichtung des Hotels war mehr als prunkvoll, die Decken waren hoch und verziehrt. Hier verweilten wir noch kurz, um auf Robert zu warten, der nicht mit uns gefahren war, da er das Wochenende eigentlich mit Talal in Varkala verbringen wollte.

Mit einem kleineren Bus wurden wir von dort abgeholt und weiter, durch kleine Wohnsiedlungen und Wälder, zum Ablegesteg gefahren. Der kleinere Bus war echt unbequem und eng im Gegensatz zu unserem Vorherigen, der uns wohl ein wenig zu sehr verwöhnt hatte. Von dort brachte uns ein Boot aus Holz und Stroh zu einer kleinen Insel, die für uns den Tag lang als Aufenthaltsort diente. Von dort aus konnten wir mehrmals mit dem Boot auf die Backwaters fahren und bekamen wirklich gutes westlich-östliches Essen serviert.

Die Bootstour war überaus erholsam. Neben uns rauschte das Wasser, während wir auf einem höhergelegten Deck eines alten Metall-Plastikdampfers die Sonne genossen. Vögel flogen an uns vorbei, um nach Fischen zu fischen, Fischer auf rostigen Fischkuttern verfolgten das selbe Ziel durch anderes Vorgehen. Leider war die Bootstour nicht wirklich lang genug, um auch die kleinen Nebenarme der Gewässer zu befahren. Daher blieben wir hauptsächlich auf den großflächigen Seen, auf denen wir den Anblick der entfernten Dschungel direkt an denUfern genießen konnten.

Den Tag habe ich größtenteils mit Kyila und Pynhoi verbracht und Hängematten in Beschlag genommen. Unsere Hotspot-Insel sah aus, als wäre sie einem Urlaubskatalog entsprungen. Kleine Bungalows der Insel waren weiß bemalt und mit großen Glaswänden bestickt, Palmen wuchsen aus dem weißen Sand, durch den sich schmale Holzstege schlängelten, Hängematten waren von Palme zu Palme gespannt und um uns herum befand sich weites Wasser.
Ein Tag, den ich besimmt noch lange in Erinnerung behalten werde.

Seit neustem, also nicht einmal einer Woche, haben wir noch eine vierte Freiwillige bekommen. Sie heißt Amelia und ist die Tochter von Robert Christie, dem Presidenten der Robert Christie Foundation, die hier einen großen Spendenbeitrag zum Bau des IISE geliefert hat. Sie hat uns schon einmal mit ihrer Familie zusammen vor ein paar Wochen besucht und fand die Atmosphäre hier so schön, dass sie beschlossen hat, einen Teil ihrer Semesterpause hier zu verbringen. Ich habe im Moment nicht viel mit ihr zu tun, aber sie setzt sich sehr für die Teilnehmer ein und ist ein herzensguter Mensch!

Aufgrund meiner langen Blogpause hätte ich eigentlich noch viel mehr zu erzählen. Das bewahre ich mir dann allerdings für den nächsten Eintrag auf, der dieses mal garantiert nicht so lange auf sich warten lässt...





Eine kleine typische Seitenstraße




Teilnehmer ertasten das Stroh-Bambus-Dach unseres Kutters in Kollam





Mo und Martin





Auf dem Weg nach Kollam





Erste Reihe: Julius, James, Eric, Yoshi, Alica, Victor
Zweite Reihe: Johnson, Kyila, Holy, Pynhoi, Hussni
Dritte Reihe: Amjad, Robert, Phil, Martin

19. September 2009

Hochzeit!

Letzten Sonntag durften Robert und ich zum ersten Mal Zeugen einer indischen Hochzeit werden! Nachdem wir schon auf der Verlobungsfeier einen scheinbar guten Eindruck hinterlassen haben, wurden wir von Salini zu ihrer Hochzeitsfeier in der St. George Orthodox Church, ungefähr zweieinhalb Stunden nördlich von Trivandrum, eingeladen. Wir zwei machten uns also morgens auf den Weg, hatten keinerlei Probleme das eher dörflich aussehende Städtchen Kottarakara zu finden, und kamen frohen Mutes an der Kirche an. Was uns allerdings etwas erstaunte war der lilafarbene Anstrich und das recht bunte Auftreten der Kirche. Ich glaube, ich habe noch nie eine so farbenfrohe, teils kitschige, Kirche gesehen.
Das Gelände war klein und der Friedhof, der genau neben dem Kirchenschiff angelegt war, wurde
durch keinerlei Zäune abgetrennt, sondern war frei begehbar. Die Gräber, die größtenteils mehrere Generationen einer Familie beinhalteten, waren mit massigen Eisenketten verschlossen.


Der Hergang der bald auf unsere Ankunft folgenden Zeremonie war lang und sehr ausgiebig. Die Frauen wurden schon gleich zu Anfang von den Männern getrennt und befanden sich in der rechten Seite des Schiffes; die Männer demnach in der linken. Leider konnte ich nicht viel von den Gebeten und Lobgesängen verstehen. Die Musik war jedoch vollkommen anders, als man es, gewöhnt an den europäischen Kirchengang, erwartet hätte: Anstatt einer Orgel gab es ein Keyboard, anstatt von hohen Pfeifentönen gab es elektronische Samples und Beats und anstatt des Gemeindechors gab es Sprechgesang. Ich war verdutzt und konnte erst nach gefühlten zehn Minuten glauben, dass diese Musik, die mich eher an die Musik eines DJs aus den '90ern erinnerte, wirklich Teil der Hochzeit war. Andere Länder, andere Sitten.

2 Stunden später - es gab in der Kirche keine Sitzmöglichkeiten - waren wir umso glücklicher über die lange Tafel, die uns nun dasselbe Essen, das uns schon an Onam serviert wurde, präsentierte.
Die Hochzeit war, wie es in Indien immer noch üblich ist, eine Zwangshochzeit. Das Brautpaar sah daher auch nicht ganz glücklich aus.

Im Laufe der letzten Woche durfte ich meinen Ordnungstick (gilt übrigens nicht für Räume, in denen ich lebe) wieder voll ausleben und das Intranet auf den neusten Stand bringen, Flüge für
die kommenden Teilnehmer suchen, veranschaulicht darstellen (man bekommt hier die Daten kunterbunt zusammengewürfelt von den Fluggesellschaften) und Berichte archivieren.

Das Wetter ist immer noch sprunghaft und richtet sich scheinbar nicht nach den Naturgesetzen: Während der Monsunzeit ist es möglich, dass es auch bei scheinbar blauem Himmel anfängt zu regnen. Teilweise regnet es auch aus hellen Wolken, und manche Schauer kommen mit Getöse, fegen 5 Minuten über alles hinweg, was nass werden kann, und sind dann auch schon wieder verschwunden.

Nun wartet der nachmittägliche Kaffee auf mich!

शीघ्र फिर मिलेंगे...




Eins von den Kindern, die in der Nachbarschaft wohnen.


Robert und ich vor der Kirche



Unser stets treuer Rickshaw-Fahrer Jayen mit seiner Tochter


St. George Orthodox Church


Unsere Lead-Catalystin Nora