24. Februar 2010

Neues Kapitel

Die Teilnehmer sind wieder in ihren Ländern angekommen, der Campus ist gefüllt mit der nächsten Generation von Teilnehmern, Weihnachten und Silvester sind schneelos an mir vorbeigerauscht und das neue Jahr ist mittlerweile auch überhaupt nicht mehr so neu. Dennoch hoffe ich, dass ihr alle wohlbehalten im 21. Jahrhundert - Kapitel 10 angekommen seid.

Die Abschlussfeier


Der offiziell letzte Tag der "Reise in fünf Akten", wie das akademische Jahr hier auf dem Campus bezeichnet wird, brach ziemlich schnell herein und war im Nachhinein auch ziemlich schnell vorüber. Zwei Wochen Vorbereitung machten das Fest zu einem vollen Erfolg und Spaß für alle Beteiligten. Gegen zwei Uhr durften wir die geladenen Gäste am Sonntag den 13.12.2009 begrüßen. Es bildeten sich kleine Gesprächsgruppen, die sich heftig über die letzten Ereignisse austauschten, sowohl auf Englisch als auch auf Malayalam, bis sie letztendlich ins Amphitheater zum Beginn der Zeremonie gerufen wurden. Robert und ich hatten uns für den Anlass auffällig in Schale geworfen. Unsere traditionell indischen Gewänder aus Rohseide und Glitzersteinchen kamen überall gut an.


Neben der Zeremonie gab es im ehemaligen "Café in the Dark", das nun zum "Movie Theatre" umgestaltet worden war, den Film "20 Journeys, 10 Destinations" zu sehen, den Robert und ich geschnitten hatten.


Nachdem etliche Preise, Auszeichnungen und Abschlusszeugnisse vergeben wurden, der Bildungsminister von Indien und der Maharaja von Travancore Reden gehalten hatten; nachdem Paul und Sabriye sich für die tolle Teamarbeit bedankt hatten und die Presse ihre Photos für die "Hindu" und die Kerala eigene Zeitung geschossen hatten und der Abend an uns vorbei rauschte, war es Zeit für das großangelegte Buffet. Von Schwein zu Rind gab es so viele Leckereien, dass wir nach dem Schmaus erst einmal eine Stunde verdauen mussten, bevor wir uns, frohen Mutes auf die Tanzfläche mit Liveband schwingen konnten. Ein schöner und gelungener Abschluss, der sämtliche seiner Mühen wert war.

Der nächste Tag war dafür umso trauriger, da die Zeit gekommen war sich zu verabschieden. Eine Woche voller Tränen, Umarmungen und Sachenpacken. Die meisten der Teilnehmer konnten natürlich NICHT mit ihren eingepackten 45 Kilo schweren Koffern ausreisen und mussten daher noch am Flughafen die Sachen nach Prioritäten ordnen und sich von großen Teilen der Ladung verabschieden. So ging auch die letzte Woche vor Weihnachten vorüber.


Meine Reise ins Land des Lächelns - Thailand

Wie Ihr wahrscheinlich alle mitbekommen habt, hatte ich vor Weihnachten - mehr oder weniger spontan - beschlossen 13 Tage in Thailand zu verbringen. Für einen der 60 € - Flüge war es leider schon zu spät, weshalb ich ein wenig mehr ausgeben musste.

Los ging es am 25. Dezember. Heilig Abend hatte ich mit Sabriye, Paul, Pynhoi und Khom (die beiden letzten Teilnehmer, die noch bis zum 31. Dezember geblieben sind) und Amelia in Kovalam bei einem schönen Abendessen zelebriert. Allerdings hatte ich schon ein komisches Gefühl das Fest der Liebe nicht bei meinen Liebsten zu verbringen.

Mein erster Aufenthalt, Colombo, erwies sich zwar von der Unterkunft her als außerordentlich komfortabel, doch von der Stadt an sich konnte ich außer einer 30 minütigen Autofahrt nicht wirklich viel genießen. Der Abend mit extravagantem Dinner im Hotelrestaurant - für mich als Gast von Srilankan Airlines alles komplett kostenfrei - ging schnell vorüber, sodass ich am nächsten Morgen früh weiterreisen konnte.

Bangkoks Dächer aus meinem Guest House


Angekommen in Bangkok, Guest House gefunden, Nachtmärkte erkundet. Bevor es für mich weiter in Richtung Süden gehen konnte, musste ich einen Tag auf die übrigen Freiwilligen warten, mit denen ich mich zusammentun wollte. Daher hatte ich genug Zeit mir Bangkok ein wenig anzusehen, das Palastgelände zu genießen, die Khao San Road, die als Touristenviertel von aller Welt besucht wird, abzuklappern und Thaigerichte zu verschlingen.

Longtail Fischerboot auf Kho Tao


Obwohl ich mir eigentlich fest vorgenommen hatte, nicht unbedingt in die Touristengebiete zu fahren, sondern lieber die Landschaft zu erkunden, war meine Thailandreise mehr ein "Inselhopping". Bis Silvester verbrachte ich meine Tage am Strand von Kho Tao, habe einen Scuba-Dive Kurs gemacht, und mich zusammen mit meiner "Freiwilligen-Crew" in Bars amüsiert. Am 31. Dezember ist unser Team dann, kurzfristig und nicht wirklich vorbereitet, nach Kho Phangan aufgebrochen. Phangan, die Nachbarinsel Kho Taos, ist vor allem für ihre Vollmondparties bekannt. Der Grund dafür, dass wir das neue Jahr dort feiern wollten, war derselbe, der etliche weiter Touristen aus aller Welt zur gleichen Zeit auf das kleine Eiland trieb: Dieses, beziehungsweise letztes, Jahr war die Silvesternacht eine Vollmondnacht. Somit fiel die allseits berüchtigte Vollmondparty auf die Silvesterparty. Mit 50.000 Menschen haben wir am Strand gefeiert. Die Menge war so groß, dass wir uns in der Nacht alle verloren haben, und morgens, mehr oder weniger unpünklich, seperat an unserem Treffpunkt ankamen.


Die folgenden und für mich letzten 6 Tage verbrachten wir getrennt. Jeder ging seine Wege. Mich verschlug es über Kho Samui, nach Krabi und von dort nach Kho Phi Phi, wo der anscheinend ziemlich berühmte Film (dem Lonely Planet zufolge) "The Beach" gedreht wurde. Diese supertouristische Insel hat, außer wahnsinnig hohen Preisen, nicht viel zu bieten. Nicht einmal die Strände waren ihr Geld wert. Für die Thailand-Insel-Begeisterten kann ich eigentlich nur das vergleichsweise günstige Kho Tao empfehlen.

Sonnenuntergang auf Kho Tao


Meine letzte Nacht habe ich wieder in Bangkok verbracht, sodass ich am späten Abend des 6. wieder Richtung Sri Lanka fliegen konnte.


Wenn mich im Nachhinein jemand fragen würde, was mich an Thailand am meisten beeindruckt hat, würde mein erste Gedanke nicht den prunkvollen goldenen Palästen, dem azurblauen klaren Wasser oder den Stränden aus dem Bilderbuch gelten, sondern eher der Unzahl an Menschen, die mir Gastfreundschaft schenkten, die mit mir um Sachen verhandelt haben, einzig um der Verhandlung willen, und die mir aus Lebenslust zulächeln konnten.

Der Nordstrand von Phangan


Zweitausendzehn


Im neuen Jahr habe ich bereits einen Haufen erlebt. Seit dieser Generation von Teilnehmern, bin ich quasi befördert worden. Vom Freiwilligen zum Catalyst. Für die Teilnehmer bin ich daher nun Mathe Lehrer. Mein Schwerpunkt liegt vor allem auf Prozentrechnung, also Zins, Zinseszins und Zinseszinseszins, aber auch auf Brüchen und Algebra. In den Mathestunden muss ich vor allem an die Mathestunden denken, in denen ich auf dem Stuhl saß und Frau Siebeneck erklären lassen durfte, wofür man eigentlich Matrizen und Gauß‘sche Verfahren braucht und wie Herr Pythagoras uns das Leben vereinfacht hat. Aber erst jetzt weiß ich die Arbeit eines (Mathematik-) Lehrers wirklich zu schätzen. Man muss nicht nur Stunden vorbereiten, sondern sie auch auswerten, sich kreative Unterrichtsverfahren einfallen lassen, damit der Kurs nicht einschläft, und nebenbei möglichst kontinuierlich gut gelaunt und motiviert sein. Wer hört schon Menschen zu, die selbst gelangweilt sind, von dem, was sie erzählen?! Allerdings sind die Teilnehmer überaus wissbegierig und haben Spaß an dem, was wir zusammen erarbeiten. Ein wenig trickreich wird es, wenn ich versuche zu erklären, warum man Brüche übereinander schreibt, wie man kürzt und erweitert und so weiter, da den meisten der visuelle Sinn fehlt.

Kaprie, Lijodi, Michael und Simon mit der Nationalflagge Zimbabwes


Es ist ein schöner Sonntag und Kerala wird es von Tag zu Tag heißer. Von Februar bis Mai herrscht hier die "heiße Saison", in denen man diesen Teil der Welt möglichst nicht betreten sollte. Die Temperaturen steigen tagsüber bis zu 35 Grad an (im April wird es wohl noch wärmer). Durch die hohe Luftfeuchtigkeit ist das Klima manchmal wirklich unerträglich. Die meisten von Euch sitzen jetzt wahrscheinlich, eingepackt in zwei Pullover, im Kalten und fragen sich, wie man sich über Hitze beschweren kann.


Heute Morgen bin ich früh aufgebrochen. Um 5 Uhr habe ich mich mit zwei Freunden, Amelia aus Australien und Murali aus Kerala, die mit mir zusammen im IISE arbeiten, getroffen, um spazieren zu gehen. Klingt wahrscheinlich ein wenig komisch, doch für die Inder ist das eine tägliche Gewohnheit. Die Hindu-Familien stehen gegen halb 5 auf, um die Häuser zu putzen. Es gilt als hinduistischer Brauch, dass das Haus vor Sonnenaufgang geputzt und sauber ist. Während sich also die Hausfrauen an die Arbeit machen, gehen die Männer aus dem Haus, um sich im Morgengrauen die Füße zu vertreten. Die meisten treffen sich dann in den Chai-Shops, bei einem Glas Tee, um die Tagesthemen aus der Zeitung zu besprechen. Egal wie früh man aufsteht, es sind immer schon andere Menschen wach, die bereits fegen, Straßenhunde mit Steinen jagen, Chai bestellen, oder einfach nur spazieren gehen.


Einfach zu Spazieren war uns allerdings ein wenig zu simpel, daher haben wir beschlossen die Eisenbahnschienen entlang zu laufen und herauszufinden wie weit wir kommen. Gegen halb 10 hat uns dann die Sonne in die Knie gezwungen. Den ganzen Morgen sind wir gegangen, vier Stunden, konnten allerdings nur 15 Kilometer zurücklegen. Wir haben Tunnel passiert, haben Flüsse auf den Bahnbrücken überquert. Das Schwierigste war jedoch das Gehen an sich: Entweder man balancierte auf den Schienen, oder lief von einem Schienenträger zum nächsten. Links und rechts der Strecke gab es überwiegend nur Büsche. Die Strecke war wenig befahren. Da die meisten Züge aus dem Norden nur bis Trivandrum fahren, sind wir nur auf 4 Züge gestoßen. Dennoch waren wir nicht die einzigen, die ihre Knöchel im Morgengrauen quälten. Auf den Schienen waren Menschen unterwegs, die jeden Morgen auf diesem Weg zur Arbeit laufen. Viele hatten kleine Körbe oder Krüge auf den Köpfen, gefüllt mit Tapioka, Chili, Bananen, Kokosnussöl und anderen Gewürzen.


Murali und ich haben beschlossen von nun an öfter auf den Schienen zu laufen.


Sana und Babar aus Pakistan geschmückt mit Hawaii'schen Halsketten


Samrawit aus Ethiopien


Waseem aus Bangalore (India)